Autorin Waltraut Lang auf Facebook

Samstag, 3. Januar 2015

Ich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin...


"Was ein Mensch an Gutem in die Welt hinausgibt,
geht nicht verloren."
Albert Schweitzer



Dem kann ich nur zustimmen. Ich habe eine schlechte Kindheit gehabt und mir manchmal gewünscht, dass ich nicht geboren worden wäre. Aber mein Mann hat immer zu mir gesagt, dass wir alle Tag  für Tag viele andere Menschen mit unseren Taten oder auch Worten berühren und dass das ganze Gefüge sich ändern würde, wenn wir einen Menschen herausnehmen würden. 

Er war es auch, der mich immer daran erinnert hat, dass Alles aus einem Grund heraus geschieht. Wir hätten uns sonst wahrscheinlich nie kennengelernt, denn eigentlich kamen wir aus zwei verschiedenen Welten.

Meine schlechte Kindheit hat mich geprägt, und daher war ich in der Lage, meinem Mann zuzuhören und auch seinen Schmerz zu verstehen. Mein Mann hatte Legasthenie in einer Zeit, in der man noch gar nicht wusste, dass es diese "Krankheit" überhaupt gab und daher hatte man unwissentlich die Betroffenen als "dumm" und "nicht lernfähig" abgestempelt und in sogenannte Sonderschulen abgeschoben.  Ich habe im Laufe meines Zusammenlebens mit meinem Mann immer wieder erkannt, dass die Legasthenie ein Zeichen von hoher Intelligenz und vor allen Dingen auch Einfühlsamkeit ist. Was mein Mann an Problemen mit dem Lesen und Schreiben hatte - Aufgrund der Legasthenie können die  Betroffenen die Silben nicht automatisch und vor allen Dingen nicht richtig trennen, wie das bei uns automatisch beim Lesen und Schreiben der Fall ist - werden die anderen Sinne geschärft. Mein Mann konnte etwas sehen und hat das dann nachgemacht. Er war total wissbegierig und ich musste ihm anfangs oft jeden Tag stundenlang aus Lexika oder anderen Sachbüchern vorlesen, denn er nahm alles in sich auf wie ein Schwamm. Er hatte beinahe ein fotografisches Gedächtnis und speicherte alles für die spätere Verwendung ab. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Legastheniker handwerklich unheimlich begabt sind. Daher habe ich meinen Mann die Gelegenheit gegeben, seine Fähigkeiten in Kunst umzusetzen und sich vollkommen neu zu entdecken. Dafür hat er mich aus meiner Schale der Schüchternheit herausgeholt und mich dazu gebracht, immer wieder neue Herausforderungen anzunehmen, denn er hat an mich geglaubt und mir immer den Rücken gestärkt. 

Ich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin, wenn mein Mann nicht gewesen wäre. Seine Liebe und sein Glaube an mich haben mir die Sicherheit gegeben, mich immer weiterzuentwickeln und keiner Herausforderung aus dem Weg zu gehen. Und auf genau dieselbe Art und Weise hat mein Mann auch Anderen diese Kraft gegeben. Er war der Schutzengel Vieler, die nicht mehr weiterwussten und denen er mit Rat und Tat beiseite stand. Einmal hat er sogar verhindert, dass ein Kind viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde, denn es wollte bei starkem Verkehr in einem unbeobachteten Moment auf die Strasse gehen. Er hielt es zurück und dreht es in die richtige Richtung auf seine Mutter zu. Dann ging er einfach weiter so als ob nichts geschehen wäre, denn er wollte keinen Dank. Dass das Kind sein Leben weiterleben konnte, das war ihm Dank genug. So war mein Mann eben.

Ruhe in Frieden mein Schatz, Du wirst nicht vergessen werden!!!






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